Orgatec-Spotlight-Interview: „Wohlbefinden ist ein Top-Thema.“

Orgatec-Spotlight-Interview: „Wohlbefinden ist ein Top-Thema.“

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Orgatec Spotlight Interview mit Samir Ayoub, geschäftsführender Gesellschafter von designfunktion

Welche Bedeutung haben Arbeitswelten für die strategischen Ziele von Unternehmen? Dieser Frage hat sich die designfunktion Gruppe gemeinsam mit dem Fraunhofer IAO und weiteren Partnern gewidmet. Unter dem Titel „Wirksame Büro- und Arbeitswelten“ kamen in einer gemeinsamen Studie unterschiedliche Büroformen auf den Prüfstand. Befragt wurden über 1.000 Experten aus Unternehmen sowie der Architektur- und Immobilienbranche, die sich mit dem Thema neue Arbeitswelten auseinandersetzen. Erste Ergebnisse der Studie wurden auf der Europäischen Fachpressekonferenz der ORGATEC 2018 in Amsterdam vorgestellt. Wir sprachen darüber mit Samir Ayoub, geschäftsführender Gesellschafter von designfunktion.

 

Herr Ayoub, anlässlich der Europäischen Fachpressekonferenz der ORGATEC 2018 in Amsterdam haben Sie gemeinsam mit dem Fraunhofer IAO Ergebnisse der Studie „Wirksame Büro- und Arbeitswelten“ vorgestellt. Welche grundsätzliche Fragestellung liegt der Studie zugrunde?

Wir haben die Studie in Auftrag gegeben, weil wir die Bedeutung von Arbeitswelten für die strategischen Ziele von Unternehmen erforschen wollten: Was muss berücksichtigt werden, damit ein neues Bürokonzept zum Erfolg wird? Dieser und weiteren Fragen sind wir auf den Grund gegangen.

 

Ein Fokus der Studie lag auf der Untersuchung unterschiedlicher Büroformen. Welches Bürokonzept hat denn am besten abgeschnitten?

Die Studie zeigt, dass eine Multispace-Arbeitsumgebung in unterschiedlichen Aspekten deutlich positivere Ergebnisse aufweist, als andere Büroformen. Wenn in der Arbeitsumgebung eine Bandbreite an Raumoptionen vorhanden ist, die flexibel von allen Mitarbeitern genutzt werden kann, gibt es eine signifikant höhere Unterstützungsfunktion. Darüber hinaus wird Zusammenarbeit stärker gelebt, es besteht ein höheres Ausmaß an Selbstbestimmung und auch die Arbeitgeberattraktivität wird deutlich positiver bewertet. 54 Prozent der Studienteilnehmer erwarten zudem, dass sich Multispace zur dominanten Büroform in ihren Unternehmen entwickeln wird.

 

Wie wirken sich die Effekte einer Arbeitsumgebung, die nach dem Multispace-Prinzip gestaltet wurde, auf die Attraktivität eines Unternehmens aus?

Eine Multispace-Arbeitsumgebung entspricht im Idealfall dem Prinzip des Activity Based Working. Es werden also für alle Tätigkeiten im Unternehmen die passenden Räume zur Verfügung gestellt. So kann der Mitarbeiter flexibel entscheiden, ob er einen Raum für Kreativität, Austausch, Telefonate, Bewegung oder Entspannung aufsucht. Diese Vielfalt gibt es in einer Bürowelt mit klassischen Einzel- und Mehrpersonenbüros nicht.

 

Die designfunktion Gruppe gilt als Marktführer in der Konzeption und Realisierung moderner Büro- und Arbeitswelten. Was können Sie aus Ihrer eigenen Erfahrung zu heute besonders nachgefragten Büroformen sagen?

In acht von zehn Projekten, die wir als Planer und Einrichter bearbeiten, entscheiden sich die Unternehmen heute für offene Raumlandschaften. Die meisten davon sind Multispace-Konzepte. Bei deren Planung ist eine fundierte und frühe Bedarfserhebung im Unternehmen besonders wichtig: Welche Arbeitsstile herrschen in welchem Umfang vor? Welche Kommunikationsereignisse gibt es mit welchen Ausprägungen und welchen notwendigen Rahmenbedingungen? Welche Tätigkeiten benötigen welchen Konzentrationsgrad? Diese und weitere Fragen klären wir mit einer speziellen Beratungsmethode.

 

Sie haben in der Studie auch das Tempo in der Modernisierung der Arbeitsorganisation untersucht. Wie wird dieses Tempo von den Teilnehmern im eigenen Unternehmen bewertet?

Das Modernisierungstempo wird über alle Unternehmensgrößen und Funktionsbereiche eindeutig als nicht zu schnell empfunden. Mit zunehmender Unternehmensgröße wird die Transformationsgeschwindigkeit sogar als deutlich zu langsam angegeben. Ausnahmen bilden die befragten Geschäftsleitungen, die das Tempo in der Modernisierung ihrer Arbeitsorganisation als genau richtig einschätzen. Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen darüber hinaus: Bei Unternehmen mit einem langsamen Tempo in der Modernisierung der Arbeitsorganisation ist die Unterstützungsfunktion der Büro- und Arbeitsumgebung geringer ausgeprägt, die Qualität der räumlichen Gestaltung ist niedriger, es wird weniger Zusammenarbeit in der Organisation gelebt und die Arbeitgeberattraktivität sinkt signifikant.

 

Welche weiteren thematischen Schwerpunkte wurden mit der Studie untersucht?

Es wurde unter anderem festgestellt, dass die Arbeitgeberattraktivität steigt, je weniger hierarchische Strukturen räumlich abgebildet werden. Eine Multispace-Arbeitsumgebung spiegelt am geringsten Hierarchien in der räumlichen Anordnung wider. Das ist für viele Unternehmen allerdings eine Herausforderung. Nach wie vor gibt es Mitarbeiter, die ab einer bestimmten Position ein Einzelbüro erwarten. Solche etablierten Statussymbole können nicht in kurzer Zeit aus der Welt geschafft werden. Bei einem Umzug in eine Multispace-Arbeitsumgebung ist daher ein professionelles Change Management wichtig. Die Mitarbeiter müssen sich im wahrsten Sinne des Wortes abgeholt fühlen. Aber auch die Führungskräfte selbst müssen offen für den Wandel sein. Wird der Aufenthalt von Mitarbeitern im neuen Pingpong- oder Rückzugsraum negativ bewertet, werden diese Räume in Zukunft nicht mehr genutzt und ad absurdum geführt.

 

Welche Schlüsse ziehen Sie aus den Ergebnissen der Studie?

Besonders spannend war für uns, dass in allen Büroformen ein Mangel an Rückzugsräumen besteht, selbst in einer Einzelbürostruktur. Eine Abfrage in unseren Projekten ergab, dass 75 Prozent der benötigten Rückzugsräume für zwei bis vier Personen konzipiert sind. Auf zehn Mitarbeiter kommt ein Rückzugsraum dieser Größe. Um die richtige Anzahl an Rückzugsräumen feststellen zu können, ist eine umfassende Bedarfserhebung nötig.

 

Was erwarten Sie im Hinblick auf die Arbeitswelt der Zukunft?

Tendenziell wird das Thema „Marke im Raum“ immer wichtiger. Gerade bei Unternehmen, die verschiedene Standorte haben, ist ein hoher Wiedererkennungswert für Mitarbeiter und Kunden wichtig. Andere Unternehmen richten ihre Arbeitswelt wie eine gemütliche Hotellobby ein, damit die mobilen Mitarbeiter wieder häufiger ihr Büro aufsuchen. Wohlbefinden ist also ein Top-Thema. Ein weiteres strategisches Ziel ist die Steigerung der Kommunikation innerhalb des Unternehmens, um die Innovationsfähigkeit und Kreativität der Mitarbeiter zu fördern. Studien ergeben, dass acht von zehn Innovationsprojekten scheitern. Hier besteht also großer Handlungsbedarf – denn die Themen Produktivität und Wirtschaftlichkeit schwingen immer mit recht hoher Bedeutung mit

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