bueroszene.ch Herbsttagung: Agile Kreativität oder wie in digitalen Gebäuden offline innoviert wird

bueroszene.ch Herbsttagung: Agile Kreativität oder wie in digitalen Gebäuden offline innoviert wird

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Rückblick der Herbsttagung 2019 bueroszene.ch

Am 31. Oktober 2019 veranstaltete der Schweizer Büroeinrichtungsverband «bueroszene.ch» die jährliche Herbsttagung, welche in diesem Jahr unter dem Motto «Energie für Mensch und Raum» stand. Als Veranstaltungsort diente der «Smart Campus» von Siemens in Zug. Die zahlreich erschienenen Teilnehmer kamen in den Genuss spannender Referate, u.a. zur Einbettung agiler Arbeitsmethoden und Kreativität in modernste Gebäudetechnologie.

Die Herbsttagung 2019 begann mit einer Premiere. Nach der Übergabe der Präsidentschaft durch den langjährigen Präsidenten Albert Denz im Mai 2019, eröffnete der neue bueroszene.ch Präsident, Patrick Waldis, erstmals die Veranstaltung. 

Daraufhin führte Christoph Leitgeb (Head Smart Offices in Europe bei SIEMENS Smart Infrastructure) die Teilnehmer in die smarte Gebäudewelt der Siemens AG ein. Dabei fungierte Leitgeb als eloquenter Reiseleiter durch das Experience Center, wo Siemens einerseits die Möglichkeiten der heutigen Gebäudetechnologien eindrücklich erlebbar machte und andererseits aufzeigte, wie das langfristige Ziel der «Klimaneutralität» bis 2030 erreicht werden kann. Mit einem virtuellen und realen Rundgang durch das Hauptgebäude des «Smart Campus» wurde das Ziel der Klimaneutralität anhand eines 1:1 Beispiels veranschaulicht. Auf einer Fläche von 18'400 Quadratmetern, verteilt auf sieben Geschossen und ausgerüstet mit Wärmepumpen, Wasser aus dem Zugersee für die Kühlung, sowie Heizung, Photovoltaikanlagen, bepflanzten Flachdächern, LED-Beleuchtung und einem integrierten Gebäudeautomationssystem mit Energieoptimierung wurde den Teilnehmern aufgezeigt, was heute punkto Nachhaltigkeit und Technologie im Bürobau bereits möglich ist.

Die offene Bürolandschaft, welche non-territoral genutzt wird und «Activity Based Working» unterstützt, konnte zwar nur virtuell erkundet werden, zeichnete aber ein spannendes Bild zukünftiger Bürolandschaften. Digital ist auch die Einflussnahme auf die Arbeitsumgebung: Mit der Verwendung der APP «Comfy» können Mitarbeitende die Temperatur anpassen, das Licht regeln oder Meetingräume buchen – auch für spontane Sitzungen. Diese smarte Verbindung von Mitarbeitern und Technologie ermöglicht ausserdem die Belegung zu messen und Optimierungspotenziale zu direkt zu identifizieren. Besonderes Highlight war der Rundgang durch die physische Innovationsplattform «SPARK», wo inspirierende Räume für Innovationsprojekte sowie Coworking-Arbeitsplätze den Mitarbeitern angeboten werden. ″Die Räume müsse man sich verdienen″, merkte Christoph Leitgeb an. ″Teams reichen ihre Projekte ein, um sich für das inspirierende Arbeitsumfeld zu bewerben. ″ «SPARK» dient den Siemens Mitarbeitern als Ort für die interdisziplinäre Projektarbeit, begleitet von agilen Arbeitsmethoden wie beispielsweise Design Thinking. Zum Abschluss des Themas gewährte Leitgeb den Teilnehmern einen tieferen Einblick in die Produktionsfläche, wo jährlich unter anderem über 1.5 Millionen Feuermelder nach modernsten Lean Management Ansatz international wettbewerbsfähig hergestellt werden.

«Kopieren ist kreativ»

Nach der Pause, welche rege zum Netzwerken genutzt wurde, wartete eine weitere Stärkung auf die Teilnehmer: das «Vitamin Kreativ». Roger Stämpfli, Creative Director und Managing Partner der visuellen Kommunikatoren «Aroma» begeisterte mit Thesen, Bildern, Geschichten und Filmen – ein multimediales Feuerwerk. Dabei beleuchtete Stämpfli verschiedene Ansätze der kreativen Umsetzung visueller Kommunikation und unterstrich diese gelungen mit Beispielen aus Kunst, Innenarchitektur und Werbung.

Als ersten überraschenden Ansatz der Kreativität stellte Stämpfli «Kopieren» vor. Große Augen. Stirnrunzeln. Doch es wurde schnell klar, dass es dabei vor allem um Inspiration geht – zum Beispiel bediente sich «Aroma» bei der Gestaltung eines Zürcher Szeneclubs spannender Street Art. Und auch die Büroraumplanung von Zürich Tourismus wurde deutlich vom Stadtbild Zürichs inspiriert.

Ein weiteres Werkzeug der Kreativität ist die «Grösse», sowohl als Verkleinerung, als auch als Vergrösserung. So haben 2015 sechs kreative Köpfe die legendäre Zürcher «Kronenhalle-Bar» am Bellevue mit günstigen Materialien detailgetreu heimlich nachgebildet, jedoch um 20% kleiner, so dass die «Krönlihalle Bar» entstand – kopiert und verkleinert. Die Bar öffnete ihre Tore gerade mal sechs Tage, bevor sie wieder demontiert wurde – das beste Beispiel für eine kreative Pop-up-Bar.  Die «Vitaminpille» beinhaltete noch weitere Wirkstoffe: unter anderem die «Menge». Das Beispiel hier: Als Beispiel diente die Weihnachtsbeleuchtung vom Globus, die mit nicht weniger als 5'000 Discokugeln umgesetzt wurde.

Roger Stämpfli hat sein Versprechen eingelöst und den Teilnehmern tatsächlich einen echten Vitaminschub der Kreativität beschert. Übrigens habe Stämpfli den Titel seines Referats extra für die bueroszene.ch auf «Vitamin Kreativ» geändert, denn eigentlich lautete der Titel «Kreativ Porno».

 «Organisationen zwischen erkunden und ausnutzen»

Nach diesem multimedialen Feuerwerk habe er es schwer, meinte der letzte Referent, Steven Ney. Ney ist promovierter Politikwissenschaftler und als Executive Innovation Designer bei T-System beschäftigt. Lange Jahre arbeitete er bei der Design Thinking-Schmiede des Hasso Plattner Instituts (D.School) in Potsdam in der Forschung und Lehre und veröffentlichte 2019 das Buch «Putting Design Thinking to Work». Nur Vereinzelte im Publikum hatten bisher Erfahrungen mit Design Thinking gemacht. Umso eindrücklicher war die einleitende Erklärung anhand der Geschichte von Doug Dietz, was Design Thinking bewirken kann. Doug entwickelte für GE ein fantastisches MRI-Gerät, das sowohl von Ärzten, Spezialisten und Ingenieuren hochgelobt und mit Preisen ausgezeichnet wurde.

Beim Besuch einer Klinik wurde – nebst der Feststellung der hervorragenden technischen Qualität und Bedienungsfreundlichkeit des MRI-Gerätes – eine neue Herausforderung offenbar: 80% der Kinder, welche in ein MRI liegen müssen, müssten medikamentös ruhiggestellt werden. Mittels Design Thinking wurde das Problem aus Nutzersicht untersucht, nämlich mit Kinderaugen. Das Resultat: der Anteil medikamentös ruhiggestellter Kinder konnte auf 20% reduziert werden. Design Thinking ist eine Methode, um komplexe Probleme zu lösen und ein Zusammenspiel aus einem interdisziplinären Team, einem anpassungsfähigen Raum und einem Prozess.

Und wie funktioniert Design Thinking im Hinblick auf «Agile Working»? Die grosse Herausforderung liegt darin, eine Unternehmung zu schaffen, welche zwei Organisationskulturen vereint. Die prozessorientierte, effizienzorientierte Organisation (Exploit/Ausbeuten), welche nach der kontinuierlichen Verbesserung strebt und auf Sicherheit bedacht ist. Und auf der anderen Seite eine Organisation, welche bereit ist Risiken einzugehen, zu entdecken und zu scheitern (Explore/Erkunden). Das heutige Management ist dabei besonders gefordert, genau in dieser Schnittstelle zwischen ausbeuten und erkunden zu führen.

Nach diesen spannenden und inspirierenden Beiträgen war genügend Gesprächsstoff vorhanden, um sich beim abschliessenden Apéro Riche auszutauschen. Kommen Sie nächstes Jahr auch – wir freuen uns auf Sie.

Text: Oliver Hauri