Klimawandel & Energiesparen am Arbeitsplatz in der Schweiz

Klimawandel & Energiesparen am Arbeitsplatz in der Schweiz

Gutes Büroklima bedeutet gute Arbeit. Erfahren Sie, wie Sie angesichts neuer Empfehlungen zur Verbesserung der Raumluft die richtige Balance aus Energiesparen und Arbeitsrecht finden

Besseres Büroklima: Gesunde Raumluft in der Schweiz auf dem Prüfstand

Jedes Büro besitzt sein eigenes Makroklima, bestehend aus vier maßgeblichen Faktoren: Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftgeschwindigkeit und Wärmestrahlung.

Bis dato geltende Richtwerte bilden eine gute Orientierung für die Schaffung eines behaglichen Raumklimas das Wohlbefinden, Gesundheit und Leistungsfähigkeit unterstützt.

Aber geht es nicht noch besser? Das fragt aktuell die deutsche Initiative PrimaBüroKlima, die sich den pandemiebedingten Popularitätsschub zunutze macht und das so wichtige Thema Büroklima auf die Tagesordnung setzt. Angesicht der aktuellen Diskussion zur Energiekrise und den Erfahrungen der Corona-Pandemie also höchste Zeit, im Hinblick auf die Empfehlungen von Raumklimaexperten auch einen genaueren Blick auf die in der Schweiz bestehenden Regelungen und Empfehlungen zu werfen: Wie ist der aktuelle Stand und welche Regelungen könnten über die bereits bestehenden hinaus noch sinnvoll sein? Wie lassen sich Energiesparen und Arbeitsrecht unter einen Hut bringen?

 

Bild: Fellowes, PRO AM3 LUFTREINIGER

 

Wussten Sie schon?

Menschen in Westeuropa verbringen durchschnittlich 90 % ihrer gesamten Zeit in geschlossenen Räumen.

 

Faktor Lufttemperatur: Klimawandel trifft Energiekrise

Die wahrscheinlich größte Herausforderung – da ist sich die Initiative PrimaBüroKlima einig –, stellt der Klimawandel mit seinen steigenden Temperaturen dar. Wenngleich sich die Empfehlungen zur Raumtemperatur nicht ändern werden, liegt es an den Architekten, Bauherren und Inhabern über Klimaanlagen, Lüftungseinrichtungen und einen effektiven Sonnenschutz für alle Mitarbeiter optimale Voraussetzungen für ein gesundes und leistungsförderndes Raumklima zu schaffen. Ein weiterer Pluspunkt für Klimaanlagen: Interne Filtervorrichtungen können die Keimzahlen in der Luft deutlich reduzieren. Die Kehrseite der Medaille: Eine zu hohe Luftgeschwindigkeit, ausgelöst durch Klimaanlagen, kann eine Streuung von Keimen wiederum begünstigen und wird von den meisten Mitarbeitern als unangenehm empfunden. 

Lage in Deutschland: Auskunft über die Raumtemperaturen im Büro gibt in Deutschland beispielsweise die Arbeitsstättenverordnung. Hier heißt es: „alle Räumlichkeiten wie Arbeits-, Pausen- und Sanitärräume während der Arbeitszeit ein gesundheitlich zuträgliches Klima aufweisen müssen“. Was das genau bedeutet? Ideal für das Raumklima am Arbeitsplatz sind Zimmertemperaturen von 21 bis 22 Grad Celsius. Liegen die Werte deutlich darunter, beginnen wir schnell zu frieren: Leistungsfähigkeit und Motivation können sinken.

Neue Empfehlung der Raumklimaexperten: Selbstverständlich hat der Arbeitsgeber darauf zu achten, dass die Büroräume durch fehlenden Luftaustausch oder Sonnenschutz nicht überhitzen. Aber angesichts der aktuellen Diskussion um Energiekosten weisen die Raumklimaexperten eindringlich darauf hin, dass die Räume auf keinen Fall auskühlen dürfen. Eine Studie der Cornell University hat hierzu in einer Studie erstaunliche Ergebnisse hervorgebracht: Die Studie ergab, dass es sich in wohltemperierten Büroumgebungen besser arbeiten lässt und Wissensarbeiter weniger Fehler machen. Als die Temperatur im Zuge der einmonatigen Untersuchung von 20 auf 25 Grad Celsius erhöht wurde, gingen Tippfehler der Studienteilnehmer um ganze 44 Prozent zurück; die Tippleistung stieg sogar um 150 Prozent.

Arbeitsphysiologisch gute Bereiche für Lufttemperaturen gemäss Arbeitsgesetz

21-23 Grad bei Büroarbeit während der «Heizperiode»
23-26 Grad bei Büroarbeit während der «Kühlperiode»

Eine aktuelle Auswertung von rund 300 Bürogebäuden in der Schweiz aus dem Hause Oxygen at Work zeigt, dass die durchschnittliche Bürotemperatur im vergangenen Winter bei 22 Grad lag. 

Die Lage in der Schweiz: Informationen zu den arbeitspsychologisch guten Bereichen für Lufttemperaturen während der Büroarbeit, finden wir ebenfalls im Arbeitsgesetz: In der kalten Jahreszeit, also während der Heizperiode liegt die Mindesttemperatur bei 21 Grad, im Sommer hingegen ist eine Raumtemperatur von bis zu 26 Grad zulässig. Wäre da die nicht aktuelle Energiemangellage würden wir anlässlich der Empfehlungen der Raumklimaexperten und der Ergebnisse der britischen Studie, empfehlen, während der Wintermontage die Mindesttemperatur wenigstens um ein paar Grad zu überschreiten, um das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden zu fördern. Angesichts der aktuellen Lage, sind wir jedoch dazu angehalten, eine Balance aus Arbeitsrecht und Energiesparen zu finden:

Reduzierung der Raumtemperatur auf 19 Grad anlässlich der Energiemangellage

Anlässlich der aktuellen Energiemangellage wird empfohlen, die Raumtemperatur jedoch generell um ein 1 Grad zu reduzieren. Obwohl die bundesrätliche Empfehlung im Rahmen des Notfallplan erst am 12. Dezember 2022 in die Vernehmlassung geht, werden bereits heute in weiten Teilen der Schweiz Schulen aber auch Büros nur noch mit 19 Grad beheizt – also deutlich unterhalb des arbeitspsychologisch guten Bereiches, der vom Arbeitsgesetz gefordert wird. Im Vergleich zu den durchschnittlich 22 Grad, die in Schweizer Büros bis dato im Winter an der Tagesordnung waren, bedeutet das immerhin eine bedeutende Erhöhnung des Sparpotenzials beim Energiekonsum von 15 bis 18 Prozent. Räumlichkeiten, deren Wärme aus elektrischer Energie (Elektroheizungen, Wärmepumpen etc.) gespeisst wird, dürfen auf 20 Grad beheizt werden.

Für die kommenden Monate heisst es also eine Balance aus Energiesparen und Arbeitsrecht zu finden und bewusster mit der Heizwärme umzugehen. Neben dem Einsatz von genauen Messgeräten empfehlen Experten, nachwievor ausreichend aber nicht über Gebühr zu lüften. Bewegung am Arbeitsplatz – sei es durch aktivitätsfördernde Büromöbel oder Teamaktivitäten – kann einen erheblichen Beitrag dazu leisten, dass Mitarbeitende am Arbeitsplatz nicht unnötig auskühlen. Pflanzen sorgen ausserdem für eine erhöhte Luftfeuchtigkeit, eine Verminderung der Lüftungskadenz und eine stabilere Temperatur am Arbeitsplatz.

 

Faktor Luftfeuchtigkeit: Feuchter ist gesünder

Je niedriger die Luftfeuchtigkeit, desto länger halten sich Aerosole in der Luft. Außerdem können bei zu trockener Luft die Schleimhäute der Atemwege schneller austrocknen.

Die Lage in der EU: Die Rate der empfohlenen Mindestluftfeuchte der bis dato tonangebenden Europäische Norm von 25% wurde angesichts der Corona Pandemie von hiesigen Experten unlängst angehoben. Demnach liegen die Vorgaben des seit März vorliegenden nationalen Anhangs zur DIN EN 16798 Teil 1 (ersetzt durch DIN EN 16798-1:2022-03) weitaus höher als von der EU gefordert wird. Sie ist gleichsam die Nachfolgerin der gleichnamigen DIN EN 15251.

Neue Empfehlung der Raumklimaexperten: Dreh- und Angelpunkt der neuen Empfehlungen ist die Einteilung in vier verschiedene Raumkategorien. Für Räume der Kategorie I, die eine besonders hohe Innenraumqualität und entsprechende Nutzer-Erwartungen erfüllen sollen – wie etwa Büros – liegt die empfohlene Mindestluftfeuchte während der Heizperioden nun bei 40%, während der Sommermonate bei mindestens 30%. Ein idealer Wert, um trockener Heizungsluft entgegenzuwirken und so das Übertragungsrisiko von Atemwegsinfekten zu verringern. 

Die Lage in der Schweiz: Gemäss der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz wird allgemein eine Luftfeuchte von 30 bis 60% als der optimale Bereich für die empfohlene Raumluftfeuchte benannt: "Der physiologisch optimale Bereich für die relative Luftfeuchte liegt zwischen 30 bis 60%. Die Abgrenzungen sind dabei nicht ganz scharf. Eine zu niedrige und zu hohe Luftfeuchtigkeit ist aus gesundheitlicher und gebäudetechnischer Sicht ungünstig und zu vermeiden."

Genau wie die EU oder die neuen Empfehlungen der Raumklimaexperten unterscheidet das Arbeitsgesetz zwischen den Winter- und Sommermonaten.

Relative empfohlene Luftfeuchte gemäss Verordnung 3 Arbeitsgesetz:

Winter : 30-50%
Sommer : 40-60%

Mit der empfohlenen Mindestfeuchte zwischen 30-50% in den Wintermonaten und zwischen 40-60% in den Sommermonaten liegen die Vorgaben des Arbeitsgesetzes auf einer Linie mit den neuen Empfehlungen der Raumklimaexperten oder werden sogar - im Falle der nicht geheizten Periode - sogar noch überschritten.

Generell gilt: Parallel oder alternativ zum Fensterlüften können Luftbefeuchter dazu beitragen, die Luftfeuchtigkeit auf ein gesundes Maß im Büro anzuheben. Ergänzend hierzu sollten Luftreiniger eingesetzt werden, um die Ansteckungsgefahr über die Luft zu verringern und auch das Leiden von Allergikern erheblich zu mildern.

Hieran anschließend forderte die Initiative mehr Klarheit in Bezug auf die Kriterien für Luftreiniger: Wie hoch sollte die erforderliche Anzahl der Luftwechsel sein und sind H13-Hepafilter gegenüber H14-Hepafiltern ausreichend geeignet?

 

Bild: Klöber, Klimastuhl Moteo 89

 

Wussten Sie schon?

Wir nehmen ein Büro als behaglich wahr, wenn die Temperatur zwischen 21 °C und 22 °C liegt, das Büro eine relative Luftfeuchte von 40-50% besitzt und die Luftgeschwindigkeit den Wert von 0,15 m/s nicht überschreitet.

 

 

Faktor Luftgeschwindigkeit: Achtung vor Zugluft aus Klimaanlagen

Ein Faktor, der beim Thema Büroklima häufig vernachlässigt wird, ist die Luftgeschwindigkeit. Sie ist im Prinzip nichts anderes als ein Windzug, der durch den Raum verläuft – hervorgerufen durch geöffnete Fenster, Umluft Belüftung oder eben durch Klimaanlagen. Hier prallen also zwei wichtige Faktoren für gesundes Büroklima aufeinander: Luftgeschwindigkeit und Lufttemperatur. Ein starker kühler Luftstrom beseitigt also nicht die Einflussfaktoren für ein schlechtes Raumklima.

 

Wussten Sie schon?

Luftbewegung in Räumen wird umso stärker wahrgenommen, je kälter die Luft ist und  je konstanter sie aus einer Richtung kommt. Besonders kritisch: Klimaanlagen im Sommer.

 

Die Bekämpfung der Corona Pandemie hat für das Auflösen dieses Umstands leider kein Patentrezept hervorgebracht. Hoffnung machen aktuell die erneuerbaren Energien-Modulfassaden, die über eine besonders smarte Lüftungstechnik für dahinterliegende Büroräume verfügen und Parameter wie Lufttemperatur, Luftfeuchte und Luftgeschwindigkeit auf unterschiedlichen Höhen ständig messen und automatisch optimieren. Aber was machen wir, bis die neuen EE-Fassaden zum Standard von Neubauten und Sanierungen werden? Klimaanlagen im Zaun halten, in neue Fenster mit einem U-Wert mit 0,8 W/m²K oder weniger investieren und einen Energieberater engagieren.

Neue Empfehlung der Raumklimaexperten: Nach wie vor steht fest, dass die Luftgeschwindigkeit am Büroarbeitsplatz den Wert von 0,2 m/s nicht überschreiten sollte. Werte zwischen 0,10 und 0,15 m/s liegen im tolerierbaren Bereich und werden noch als angenehm empfunden. Etwas Spielraum gibt es bei operativen Raumtemperaturen jenseits der 25 Grad Marke. Bei warmen Temperaturen werden sogar Luftgeschwindigkeiten von bis zu 0,9 m/s begrüßt.

Lage in der Schweiz: Das Schweizer Arbeitsgesetz empfiehlt ähnlich strenge Richtwerte und präzisiert sie genauer in Hinblick auf die Art der Belüftung und der lokalen Lufttemperatur:

Maximale Luftgeschwindigkeiten in Abhängigkeit von der lokalen Lufttemperatur und der Art der Lüftung. Quelle: Arbeitsgesetz, Abb. 316-3.

 

Weiterführende Informationen zum Thema Büroklima in der Schweiz