Wilkhahn im Landtag von Niedersachsen

Wilkhahn im Landtag von Niedersachsen

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Die Ausstattung des Plenarsaals mit Wilkhahn-Sesseln spiegelt die Haltung des niedersäschischen Landtags in der Innenarchitektur wider.

Mit dem neu eröffneten Niedersächsischen Landtag in der Landeshauptstadt Hannover schaffen die Stuttgarter Architekten blocher partners ein Parlamentsgebäude, das auf sinnfällige Weise das denkmalgeschützte Ensemble aus Leineschloss und Oesterlen-Bau in eine zeitgemäße Architektur transformiert. Gleichzeitig fügen sie dem Ensemble eine neue innere Struktur hinzu, die nicht nur technisch höchsten Anforderungen genügt, sondern mit einem gläsernen Plenarsaal und zentralem Portikus ein zeitgemäßes Demokratieverständnis in zeitlose Architektur übersetzt. Auch die Ausstattung des Plenarsaals mit Wilkhahn-Sesseln spiegelt diese Haltung in der Innenarchitektur wider.

Das Gebäude des Niedersächsischen Landtags in Hannover ist eine räumliche Collage historischer Zeitschichten: 1637 zunächst als bescheidener Fachwerkbau unter Herzog Georg von Calenberg errichtet und in der Folge weiter ausgebaut, erhielt das „Leineschloss“ ab 1817 unter Georg Ludwig Friedrich Laves seine bis heute prägende klassizistische Erscheinung. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, wurde es 1962 nach den Plänen des Hannoverschen Architekten Dieter Oesterlen zum Parlament umgestaltet und dafür um ein Plenarsaalgebäude ergänzt. Das Ensemble galt als beispielgebender Ausdruck der noch jungen deutschen Nachkriegsdemokratie. Rund fünfzig Jahre später entsprach es jedoch nicht mehr den funktionalen Anforderungen an ein aktuelles Landtagsgebäude. Nach diversen Wettbewerbsverfahren konnte schließlich das Stuttgarter Architekturbüro blocher partners mit einem auf Transparenz setzenden Konzept überzeugen. Der umgestaltete Landtag wurde im Oktober 2017 feierlich durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnet.

Die Stadt im Blick

Während die denkmalgeschützte Oesterlen-Fassade des Plenarsaals erhalten blieb, ließen blocher partners das Innere des Hauses komplett entkernen. Auch die Innenverkleidung des Saals wurde entfernt. Dafür sind nun sämtliche technischen Elemente wie Filter, Kühlung oder Schallschutz unsichtbar in die oberhalb des Rednerpults sanft gewölbte Decke des Saals integriert. Nun können die Abgeordneten vom Sitzungssaal aus durch die markante Fassade hindurch über die Stadt blicken: Die Stadtansicht wird zur Kulisse, vor der die Redner – Regierung und Präsidium im Rücken – zum Landtag sprechen.


Transparenz als Synthese

Das Farbkonzept im ganzen Gebäude ist zurückhaltend, farbige Akzente entstehen durch den gezielten Einsatz von Materialien und die Betonung linearer Elemente. So markieren blocher partners das Halbrund der Abgeordnetenplätze durch eine durchgängig helle Farbgebung in unterschiedlichen Grautönen. Gesäumt wird das Herz des Saals von einem Futteral aus edlem Nussbaumholz, in dem die Räume für Presse und Besucher untergebracht sind. Eine Mikroperforation des Holzes sorgt ebenso wie die mit akustisch wirksamen Metallpaneelen verkleideten freistehenden Wandscheiben und ein hellgrauer Teppich aus Kugelgarn für optimale Sprach- und Hörqualität. Während die Sprecherkabinen für schallisolierte Aufzeichnungen auf derselben Ebene wie die Parlamentarier angeordnet sind, befinden sich ein Geschoss darüber die Sitzlogen und Besuchertribünen sowie eine barrierefrei zugängliche Pressetribüne. Eine zentrale Funktion übernimmt auch der neue, strahlend weiße Portikus, der als Verteiler fungiert und von dem aus die Besucher das Geschehen im Plenarsaal ebenfalls verfolgen können.

 

Maßgeschneidertes Sitzen in Bestform


Die gesamte Bestuhlung des Plenarsaals wurde von Wilkhahn ausgestattet. Es galt, die klare Formensprache des Umbaus auch in der Möblierung fortzuführen. Zusätzlich sollten die Abgeordneten einen hohen Sitz- und Bewegungskomfort genießen. Dafür passte Wilkhahn den geradlinigen Konferenzsessel Sola (Design: Justus Kolberg) den Anforderungen der Architekten an. Sola ist hier mit dem gleichen hellgrauen Leder bezogen, das in den Tischen der Abgeordneten flächenbündig als Schreibunterlage eingelassen wurde. Der schlanke Drehsessel ist charakterisiert durch eine markante Linienführung des Aluminiumgestells, das von der Mittelsäule in einen V-förmigen Träger und von dort in die Armlehnen übergeht. Die Sitzschale ist vorne drehbar gelagert und im hinteren Bereich durch zwei Druckfedern mit dem V-Träger verbunden. Dadurch entsteht ein dynamisch wippender, individuell einstellbarer Federkomfort. Für den Landtag ist bei der Mehrzahl der Stühle die Mittelsäule über eine Schiene in den Boden eingelassen, so dass die Sessel zwar nach vorne und hinten gleiten, aber nicht innerhalb des Raumes verstellt werden können. Sind Plätze nicht besetzt, so richten sich die Sessel über eine Rückstellfeder automatisch parallel zur Tischkante aus. So bleibt die klare Figur des Halbrunds erhalten, gleichzeitig können die Parlamentarier gerade bei langen Sitzungen die belebende Wirkung der Beweglichkeit genießen. Für den Möbelhersteller aus Bad Münder, der unter anderen bereits das Parlament in Madrid, die Regierung in Canberra und das Kabinett in Berlin mit seinen Stühlen ausgestattet hat, war es Ehrensache, auch den Abgeordneten in der Heimat Sitzen in Bestform zu ermöglichen.